Tschüss, Atomkraft! Tschüss, Atommüll?

Kaum zu glauben, aber nun sind am 15. April 2023 tatsächlich die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet worden bzw. sie werden jetzt heruntergefahren und innerhalb der nächsten Jahrzehnte abgebaut. Die radioaktiven Reste werden in Töpfe, Zahnspangen und Spielstraßenasphalt eingemischt. Übrig im Lande bleiben ein paar kleine Forschungsreaktoren sowie die anderen Anwendungsgebiete für Radioaktivität. Das sind medizinische (Röntgenstrahlen), technische (Materialprüfung) und landwirtschaftliche Nutzungen (Bestrahlung von Obst) – sowie der scheinbar nutzlose Atommüll. Das Atomkraft-Aus haben wir. Nun fehlt noch das Atommüll-Aus.

Atommüll

Atommüll-Endlagerung ist nicht nachhaltig. Eine Sicherheitskraft, für 2.500 Euro brutto angestellt, mit 2 % Lohnsteigerung pro Jahr, würde in 1 Million Jahren mehr kosten, als alles Geld der Welt zusammengenommen. Und realistisch gesehen bräuchte es selbstverständlich wesentlich mehr als nur einen einzigen traurigen Unsterblichen, der die weltweite Atommüll-Menge – derzeit etwa 300.000 Tonnen, Tendenz steigend – eine erdgeschichtliche Epoche lang bewachte. Ob die Menschheit das Wissen um die Gefahren der Radioaktivität zehnmal länger wahren kann, als sie bisher besteht, ist ebenso völlig unkontrollierbar. Selbst für eine angedachte Atomreligion wäre das eine sportliche Herausforderung, reicht doch kaum eine Religion weiter als 5.000 Jahre zurück.

Atommüll-Aus

Einzig kontrollierbar und verantwortlich ist eine Verwendung und zuletzt Abschaffung des Atommülls in unserem Zeitalter. Wir waren die Nutznießer – genauer gesagt, die politischen Eliten, die aus der Uran-Kernspaltung Material für Atomwaffen gewinnen wollten -, wir haben das Wissen, wir haben die Verantwortung dafür, aber auch den weiteren Bedarf für grundlastfähige Energieerzeugung – und das Technologiekonzept der Transmutation von Atommüll in Flüssigsalzreaktoren.

Flüssigsalzreaktoren können Atommüll oder Thorium verwenden. Sie arbeiten ohne Druck. Werden sie plötzlich sich selbst überlassen, kühlen sie auf natürliche Weise ab, ohne dass Radioaktivität austritt. Sie benötigen kein Kühlwasser, das in den Dürrezeiten der menschenverursachten Klimaerwärmung immer rarer wird. Innerhalb weniger Jahrhunderte wird der Atommüll oder das Thorium in ihnen zu schwach oder gar nicht mehr strahlendem Material. So weit die Theorie.

Risiko-Abwägung

Theoretisch könnte natürlich eine Rakete auf einen Flüssigsalzreaktor geschossen werden. Ein Restrisiko bleibt also auch hier für die besagten wenigen Jahrhunderte. Dieselbe könnte aber ebensogut ein Atommüll-Zwischenlager treffen. Oder Terroristen könnten Atommüll für eine schmutzige Bombe aus einem Endlager stehlen. Die Flüssigsalzreaktoren bräuchten wenige Jahrhunderte, um den Atommüll unschädlich zu machen. Ungenutzer Atommüll wäre eine Gefahr für eine Million Jahre, nicht nur durch Terrorismus, sondern auch durch Rost, unvorhersehbare tektonische Ereignisse und durch Vergessen.

Lösungsweg

Erwähnt werden muss, dass 1.) das prinzipielle Design von Flüssigsalzreaktoren seit dem 1960er Jahren bekannt ist, 2.) dass es, wie alle Technologien, noch weiter erprobt und verbessert werden müsste (also etwa Korrosionsprobleme durch neue Materialien oder chemische Prozesse überwinden), 3.) dass es nicht mit dem Spezialfall des gescheiterten „schnellen Brüters“ verwechselt bzw. über einen Kamm geschert werden sollte, und 4.) dass es zwar noch einige Jahre dauern würde, solche Thorium- und gar Transmutations-Reaktoren zu bauen, aber wer nicht anfängt, kann auch nicht damit fertig werden.

Ein weiteres Problem ist, dass es Transmutationsprozesse gibt, bei denen trotzdem spaltbares Material entsteht. Das ist nicht wünschenswert. Das kann nicht Sinn der Übung sein. Die Welt braucht nicht noch mehr Atommüll, radioaktive Munition und Atomwaffen.

Geschlafen haben wir schon genug. Der Großteil der Nachdenkverweigerung über solche Technologien beruht wahrscheinlich nur auf der status quo bias, einem irrationalen Stromsparprogramm des Gehirns angesichts komplexer Denkaufgaben und Herausforderungen. Dann fällt es lieber auf den bekannten Standard-Gedanken zurück (in diesem Fall das unabänderliche Fatum oder Faktum des Atommülls) und legt die Beine hoch. Was galt nicht alles als unmöglich? Und wurde dann doch Realität. Auf dem Lösungsweg kann nur zum Ziel kommt, wer losgeht.

China ist mit seinem ersten Thoriumreaktor seit 2 Jahren in der Testphase und will ab 2030 damit anfangen, seine normalen Atomkraftwerke durch Thoriumreaktoren zu ersetzen. Die chinesischen Kommunisten gehen mit einem ganz ideologiefreien Pragmatismus an die Sache. Die Welt schaut dabei zu, anstatt selber zu forschen, als ob der „derzeitige Forschungsstand“ das Ende aller Erkenntnisse und Technologien wäre, oder als ob die chinesische Experimentalphase alle denkbaren Möglichkeiten durchspielen würde. Wird am Ende „die Welt“ neidisch jammern, dass China einen weiteren Technologievorsprung errungen hat? Selbst dran schuld, ihr faulen und feigen westlichen „Eliten“!

Das Argument, Transmutation würde mehrere Jahrzehnte Forschungs- und Entwicklungsarbeit benötigen, verkennt, dass es besser ist, mehrere Jahrzehnte an einer Lösung zu arbeiten, als mehrere Jahrhunderttausende eine Lösung auszusitzen. Es geht hier um die Beseitigung des faktisch vorhandenen Atommülls. Ihn zu bewahren, zu bewachen wollen, ist neurotisch. Er soll zum Verschwinden gebracht werden. Das Problem muss gelöst werden. Endlagerung ist keine Lösung, sondern die kaltschnäuzige Verweigung einer Lösung, indem das Problem ca. 4.000 Folge-Generationen aufgebürdet wird. Das ist keine Lösung, sondern ein Verbrechen an den künftigen Generationen!

Energiemix, auch mit Flüssigsalzreaktoren

Parallel zum Aufbau einer Flüssigsalz-Reaktorwirtschaft muss selbstverständlich auch am Ausbau der erneuerbaren Energiequellen festgehalten werden, da sie dauerhaft nutzbar sind. Hierzu gehört auch eine belastbare Stromspeicher-Infrastruktur sowie alltagstaugliche Mobilitätslösungen, z.B. „grün“ hergestelltes Hydrazin für Brennstoffzellenautos, was zumindest „grüner“ wäre als die bisherige, hochgiftige Lithium-Ionen-Elekromobilität.

Künftiger Energie-Mehrbedarf aufgrund neuer technologischer Entwicklungen und Anwendungen könnte mit diesem Energiemix gedeckt werden. In 50 oder 100 Jahren müsste außerdem die Kernfusion zur industriellen Serienreife gediehen sein, so dass die klimawirksame fossile Episode der letzten Jahrhunderte überwunden wäre.